Wintersemester 2015/16

Dr. Corina Strößner (Institut für Philosophie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf)

Hässliche Einhörner und der Planet Pluto: Eine formale Erkenntnistheorie begrifflichen Wandels

7. Januar 2016, 19.30 Uhr, R 322 im Hauptgebäude der Universität Rostock, Universitätsplatz 1

Der Vortrag erörtert die Möglichkeit, Begriffswandel formal zu erfassen. Er knüpft dabei an Forschung aus der formalen Erkenntnistheorie, wie Belief Revision und dynamische epistemische Logik, an. Diese beschäftigt sich mit dem rationalen Wandel von Überzeugungen im Lichte neuer Evidenzen und Informationen. Der konzeptuelle oder sprachliche Rahmen bleibt dabei aber in diesen Systemen unberührt. Die Idee des Projektes, aus dem ein Teil vorgestellt werden wird, besteht darin, Systeme der formalen Erkenntnistheorie zu nutzen, um konzeptuellen Wandel, wie er gleichermaßen in der kognitiven Entwicklung des Einzelnen wie auch in der Geschichte einer Sprach- und Überzeugungsgemeinschaft vorkommt, zu thematisieren. Die zentrale These dabei ist, dass sich die Rationalität eines Begriffswandels durch das Zusammenspiel der Überzeugungen, mit denen der Wandel zusammenhängt, ergibt.

Corina Strößner hat in Rostock Philosophie und Germanistik studiert und schloss die Prüfung mit einer Arbeit zu mehrwertigen Logiken ab. Sie schrieb an der Universität des Saarlandes eine Dissertation über die Bedeutung von Normalitätsaussagen und wurde dort 2012 promoviert. Im Anschluss arbeitete sie an der Universität Konstanz zu Konzepten aus Sicht der formalen Erkenntnistheorie. Ab 2016 ist sie an der Universität Düsseldorf in einem Projekt zu Prototypen beschäftigt. 

 

Dr. Birgit Stammberger (Zentrum für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck)

Kraepelin und Freud - Antipoden des 20. Jahrhunderts.  Zum Verhältnis von Psychiatrie und Psychoanalyse. 

14. Januar 2016, 19:30 Uhr, R 322 im Hauptgebäude der Universität Rostock, Universitätsplatz 1

Emil Kraepelin und Sigmund Freud gelten als bedeutendste Vertreter der Psychiatrie des 19. Jahrhunderts. Spätestens seit den 1980er-Jahren setzte sich das Bild zweier Antipoden durch, das bis in die aktuelle Wissenschafts- und Medizingeschichtsschreibung fortgeschrieben wird. Dem mittlerweile tradierten antipodenhaften Bild dieser feindlichen Brüder im Geist der Wissenschaft (M.M. Weber) stehen unterschiedliche Konjunkturen des Verhältnisses von Psychoanalyse und Psychiatrie gegenüber, das gegenwärtig insbesondere durch neurowissenschaftliche und wissensgeschichtliche Ansätze unterlaufen und neu bestimmt wird. Ausgehend von historischen und aktuellen Konjunkturen wird im Vortrag die antagonistische Bestimmung von Psychiatrie und Psychoanalyse kritisch diskutiert. Um der topographischen Genese von Wissenskonzepten auf die Spur zu kommen, werden zunächst die Dichotomisierungen des Wissens als historisch-diskursive Symptomatiken von Wissenskulturen gelesen. In einer Analyse zweier, paradigmatischer Texte des frühen Freud und Kraepelin wird gezeigt, dass Wissen von technischen und materialen Medialitäten bestimmt ist, die zugleich auch die Selbstaussagen von Subjekten regulieren. Die Vorstellung zweier Antipoden - so die These des Beitrages - verklärt nicht nur die historische Realität, sondern führt in eine Sackgasse methodischer Auseinandersetzung, die letztlich auf einem starren Schematismus des Wissens gründet. 

Birgit Stammberger hat Kulturwissenschaften mit den Schwerpunkten Sprachphilosophie und Sozial - und Kulturwissenschaften an der Universität Lüneburg studiert. Sie wurde 2010 im Fach Philosophie an der Universität Vechta promoviert.Die Dissertation „Monster und Freaks. Eine Wissensgeschichte außergewöhnlicher Körper im 19. Jahrhunderts“ erschien 2011 . Nach zweijähriger wissenschaftlichen Tätigkeit am Leuphana College erhielt sie 2012 ein Post-Doc Stipendium der Fakultät Kulturwissenschaften der Leuphana Universität Lüneburg und vertrat dort im Sommersemester 2014 die Professur „Kulturgeschichte des Wissens“. Seit Februar 2015 ist sie wissenschaftliche Koordinatorin des Zentrums für Kulturwissenschaftliche Forschung Lübeck (ZKFL) so wie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Medizingeschichte und Wissenschaftsforschung (IMGWF) an der Universität zu Lübeck.  

 

Dr. Gisela Boeck (Institut für Chemie, Universität Rostock)

"Das periodische Gesetz eröffnete in der Naturphilosophie ein neues Gebiet des Denkens.Dmitri I. Mendeleev (1834-1907) und das Periodensystem

21. Januar 2016, 19:30 Uhr, R 322 im Hauptgebäude der Universität Rostock, Universitätsplatz 1 

In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Anzahl der bekannten chemischen Elemente deutlich zugenommen, es lagen viele Informationen über ihre Eigenschaften und Reaktionen vor. Das führte zu verstärkten Bemühungen um eine Systematisierung der Elemente. Dabei wurden zum einen didaktische Ziele verfolgt, ganz wesentlich war zum anderen auch der Wunsch, die Zusammenhänge zwischen den Elementen in einem Gesetz dazustellen und der Natur zugrundeliegende Gesetze besser zu verstehen. Im Vortrag wird dieses am Beispiel verschiedener Systematisierungsansätze gezeigt. Im zweiten Teil des Vortrages werden die Elemente-Tabellen von D. I. Mendeleev und Lothar Meyer (1830-1895) verglichen. Es wird der Frage nachgegangen, wie sich die Konzepte unterscheiden und wie die Autoren ihre Ergebnisse selbst werteten. Insbesondere wird hinterfragt, ob Mendeleev und Meyer diese in einen philosophischen Zusammenhang brachten, wie es sich in dem Mendeleev´schen Zitat bereits andeutet. Es wird auch diskutiert, ob die Arbeiten zur Systematisierung der Elemente schnell zum Allgemeingut und zu einem pädagogischen Hilfsmittel wurden.

Gisela Boeck hat an der Universität Rostock Chemie mit dem Schwerpunkt Synthesechemie studiert. Ihre Promotionsarbeit „Quantenchemische Berechnungen zur Thermodynamik chemischer Gleichgewichte“ fertigte sie an den Universitäten Leipzig und Toruń an. In ihrer Zeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Chemie der Universität Rostock hatte sie viele Jahre lang Verwaltungsaufgaben als wissenschaftliche Sekretärin/Fachbereichsreferentin zu erfüllen. Später konnte sie sich wieder stärker Forschungsfragen auf den Gebieten Didaktik und Geschichte der Chemie zuwenden. In der Lehre obliegt ihr in alleiniger Verantwortung die Chemieausbildung für die Studierenden der Humanmedizin, Zahnheilkunde, Medizinischen Biotechnologie und Biomedizintechnik. In diesem Zusammenhang wirkte sie 10 Jahre als Sachverständige am Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen in Mainz. Auch die Lehrveranstaltungen zur Geschichte der Chemie für angehende LehrerInnen und für Studierende im Masterstudiengang liegen in den Händen von Gisela Boeck. Sie ist Leiterin der Arbeitsgruppe „Geschichte der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät“, Sprecherin des Arbeitskreises „Rostocker Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte“ sowie Vertreterin der Gesellschaft Deutscher Chemiker bei der Working Party on History of Chemistry der EuCheMS.