Sommersemester 2010

Dr. med. Ekkehardt Kumbier (Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universität Rostock)

Psychiater im Spannungsfeld von Politik und Wissenschaft - Zum Umgang mit Hochschullehrern an der Universitätsnervenklinik Rostock in der SBZ und DDR bis 1961

22. April 2010, 19:30 Uhr

In der SBZ und DDR kam es seit 1945 in vielen Bereichen zu einer grundlegenden Reformierung, so auch im Hochschulwesen. Ein wichtiges Ziel war u.a. die Konstituierung einer "neuen Intelligenz", die die Lehren des Marxismus-Leninismus an den Hochschulen und Universitäten verbreiten sollte. Dieses Ziel konnte vor allem in der Medizin bis zum Ende der 1950er Jahre nicht erreicht werden. Aufgrund des großen Personalmangels musste immer wieder auf die "alte Bildungselite" zurückgegriffen werden. Das Beispiel der Universitäts-Nervenklinik Rostock-Gehlsheim und der an ihr zwischen 1946 und 1958 tätigen Psychiater und Hochschullehrer Hans Heygster (1905-1961) und Franz Günther von Stockert (1899-1967) zeigt die Möglichkeiten und Grenzen von Hochschullehrern in der DDR zwischen Politik und Realität. Es wird deutlich, wie versucht wurde, auf bisher traditionelle (bildungs-)bürgerliche Bereiche im Hochschulbereich politischen Einfluss zu nehmen. Vor diesem Hintergrund soll gezeigt werden, wie außerwissenschaftliche Aspekte zudem die Disziplingenese beeinflussen können. 
Mit Heygster und später mit von Stockert wurden zwei Hochschullehrer und Direktoren berufen, die keineswegs das angestrebte Ideal der "neuen sozialistischen Intelligenz" verkörperten. Sowohl Heygster als auch von Stockert gerieten bald in ein problemreiches Spannungsfeld, in dem sich politischer Anspruch und reale Gegebenheiten gegenüberstanden. Anhand von Archivmaterial werden Hintergründe, Motive und Konsequenzen dieses Spannungsfeldes aufgearbeitet.